Bürgerstiftung Coesfeld ermöglicht „Heut’ kommt das Konzert“

Das Sebastian Netta Trio mit Sebastian Altekamp (l.), Ingo Senst (M.) und Sebastian Netta (r.) verschaffen mit Jazzimprovisationen der Volksmusik ein neues Standing. (Foto Köhler)

Coesfeld (01.07.20). Selbstverständlich hat der gebürtige Rosendahler Sebastian Netta als Jazzfan und Musiker den Dreivierteltakt verinnerlicht. Und der 58-Jährige hat ein Faible für Volksmusik. Er bezeichnet diese Musikrichtung als das „kollektive Gedächtnis der Gesellschaft“. Warum sollten diese „unsterblichen“ Melodien der Musik, mit der er groß geworden ist, nicht ein Comeback feiern? Mit dem Jazz als Trailer. Denn der ist in den Augen des Schlagzeugers kein Musikstil, sondern eine Art zu improvisieren mit enormem Entfaltungsspielraum. Vermengen sich die Klänge vom Klavier (Sebastian Altekamp), Kontrabass (Ingo Senst) und Schlagzeug (Sebastian Netta), hören Kenner zum Beispiel das über 700 Jahre alte Volkslied „Nun will der Lenz uns grüßen“ heraus. „Da reicht die mitschwingende Grundmelodie aus und besonders die alte Generation summt oder singt mit“, weiß Netta aus Erfahrung. 

Eine Erklärung für die mehrheitliche Ablehnung der Volksmusik in der Gesellschaft findet Netta in der Vergangenheit. Der Nationalsozialismus hat diese traditionelle Musikrichtung für politische Zwecke vereinnahmt. In den Nachkriegsjahren distanzierten sich die Deutschen deutlich davon. „Man wollte damit nichts mehr zu tun haben.“ Beschleunigt wurde der Prozess durch die überschwappenden Trends von Rock’n Roll und Beat. Das musikalische Kulturgut wanderte in den Schatten. „Dabei berühren die Texte und Melodien die Emotionen, weil sie einfach schön sind“, begeistert sich enthusiastisch der Berufsmusiker. 

Unter dem Motto „Heut’ kommt das Konzert“ tritt Netta als Trio mit dem Cellisten Gunther Tiedemann als Gast vor drei Coesfelder Pflegeheimen auf. Mit dabei ist seine Eigenentwicklung: die mobile Bühne. „Bonsai-Bühne“ nennt Netta sie. Das gesamte technische Equipment ist darauf vorinstalliert. „Ankommen, musizieren vor kleinem Publikum und nur emotionale Spuren hinterlassend wieder abfahren“, beschreibt er das Konzept. So können die Menschen in den Zimmern, von Fenstern oder Balkonen aus an dem Konzert teilhaben. „Gerade die alten Menschen hatten während der Corona-Krise in der Isolation kaum oder keinen direkten Kontakt zum Umfeld. Mit unseren Liedern tragen wir zur kulturellen Teilhabe bei“, glaubt der experimentierfreudige Musiker. „Ohne die Coesfelder Bürgerstiftung wäre diese Aktion nicht möglich gewesen“, freut sich Netta über die Förderung im vierstelligen Bereich. 

Für Johannes Evers, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung, ist das Geld gut in die Kulturförderung investiert: „Wir freuen uns, diese kreative Einzigartigkeit unterstützen zu können und für die Bewohner*innen der Pflegeheime eine wunderbare Abwechslung im Alltag zu ermöglichen.“ Einen Nebeneffekt sieht Vorstandsmitglied Monika Endler: „Diese Initiative hilft der sehr gebeutelten Musikerszene, die durch die Kontaktbeschränkungen und Hygieneauflagen in einer schweren Krise ist.“