Skip to main content

Soziales Lernen

Das Projekt „Soziales Lernen“ prägt die soziale und jugendpflegerische Arbeit der Bürgerstiftung Coesfeld seit ihrer Gründung.

Es richtet sich an die Haupt- und Realschulen in Coesfeld. In einem mehrtägigen Seminar trainieren Schülerinnen und Schüler der fünften Klassen dabei unter der Leitung von Sozial- bzw. Erlebnispädagogen die Stärkung sozialer Kompetenzen.

Im Rahmen dieses Projekts verbringen die Kinder im Klassenverband drei erlebnisreiche Tage in der Jugendbildungsstätte Gilwell St. Ludger auf dem Annaberg in Haltern am See.

Begleitet und betreut werden die Kinder von ihren Klassenlehrerinnen und -lehrern, die hier die Gelegenheit nutzen, ihre Schülerinnen und Schüler noch besser und auch einmal anders kennenzulernen.

Die bisherigen Seminarfahrten haben gezeigt: Mit diesem Programm kann jedes Kind seine Stärken entdecken und sein Können erweitern. Zugleich kann es feststellen, wie sehr ihm die Gemeinschaft dabei hilft. Oft ist den Kindern besonders wichtig, die spielerischen Herausforderungen kreativ und mit Spaß gemeinsam zu lösen – eben ein wenig selbständiger und stärker zu werden.

Rahmenziele der Seminare

  • Soziale Kompetenzen stärken, um Schülerinnen und Schüler für den weiteren Schulalltag, aber auch ihr tägliches Leben zu stärken
  • Weiterentwicklung der Klassengemeinschaft
  • Einander besser kennen und schätzen lernen
  • Lernen was es heißt, als „Team“ zu arbeiten
  • Die Kommunikation in der Gruppe verbessern
  • Verhaltensmuster in Interaktionssituationen bewusst machen
  • Konfliktlösestrategien (weiter-)entwickeln
  • sich in (s)einer neuen Klasse nach Übergang aus der Jahrgangsstufe 4 zurecht finden

Keiner von uns ist so schlau wie wir alle zusammen

Im Agentencamp unterwegs in gemeinsamer Mission

Zehn Klassen der Coesfelder Realschulen und der Kreuzschule* besuchen jährlich mit finanzieller Unterstützung der Bürgerstiftung Coesfeld einen ganz besonderen außerschulischen Lernort, die Jugendbildungsstätte Gilwell St. Ludger auf dem Annaberg bei Haltern.
Im April 2024 war Doris Röckinghausen (wortART Röckinghausen) beim Agentencamp dabei, herzlichen Dank dafür!

Lesen Sie hier ihre ausführliche Reportage über den Aufenthalt in der Jugendbildungsstätte

Unweit der Autobahnausfahrt Haltern zweigt von der B58 eine schmale Straße ab. Der Bus mit zwei 5. Klassen der Coesfelder Realschulen schlängelt sich bergauf und hält auf dem Gelände der Jugendbildungsstätte Gilwell St. Ludger. Als sich die Türen öffnen, entlässt er gut 50 fünfzig Kinder und ihre Lehrerinnen und Lehrer ins weitläufige Grün.

Auf dem Annaberg zum Team zusammenwachsen

Zweieinhalb Tage werden sie im ‚Agentencamp – unterwegs in gemeinsamer Mission‘ verbringen. Ziel des für 5. und 6. Klassen konzipierten Camps ist es, zu guten Agenten zu werden und zu einem echten Agententeam zusammenzuwachsen. Wie gut halten wir zusammen, gehen wir fair miteinander um, lassen einander ausreden und geben jedem und jeder Einzelnen die gleichen Chancen? Was können wir verbessern? In den Kooperationsübungen und beim Spielen werden je nach Aufgabenerfolg Poker-Chips an die künftigen Agentinnen und Agenten verteilt, um am Ende die heiß begehrten Agentenausweise zu erhalten.

Zwei geschulte Teamer und die Kursleiterin nehmen die Klassen in Empfang. Nach einer kleinen Begrüßung, in der sich die jungen Pädagogen vorstellen, beginnt das erste Spiel, die Hauseroberung. „Auch ihren Gruppenraum müssen sie sich erspielen, indem sie z.B. Laserstrahlen überwinden, die an der Tür mit Fäden markiert sind“, gibt Teamerin Sarah ein Beispiel. In einer kleinen Orga- und Geländerunde erfahren die Klassen ihren Tagesplan und lernen das Außengelände und hier insbesondere den begehrten Action-Parcours kennen.“

Klasseneigene Ziele definieren

Sie schildert den Aufbau des Agentencamps: „In einer ersten Einheit ermitteln die Schülerinnen und Schüler gemeinsam, was ein gutes Agententeam ausmacht und definieren daraus Ziele für ihre Klasse. Wir Teamer schauen dann, welche Übungen dazu passen. Die Pädagogik spricht von teilnehmendem und prozessorientiertem Arbeiten. Bevor wir mit den jeweiligen Übungen beginnen, gibt’s Fragen aus der Restekiste: Wie bist Du jetzt hier, wie geht es Dir, was ist in der Pause passiert, gibt’s Vorfälle, über die Du sprechen möchtest? Dann folgen im Waldgelände oder im Gruppenraum die Übungen oder Missionen. Sehr großen Wert legen wir auf die anschließende Reflektion. Je nach Stimmung in der Schülerschaft nach abgeschlossener oder abgebrochener Übung setzen wir unterschiedliche Methoden ein. Meist lassen wir die Kinder sich zunächst selbst einschätzen auf einer Skala von 1 bis 10. Je nachdem, wie sie ihre selbst formulierten Ziele erreicht haben, bekommen sie nach jeder Aufgabe Poker-Chips.“

Als Sarah zu Beginn der Pause den Ball herausgibt, wissen die Kinder schon Bescheid und die Freude ist unüberhörbar groß – es wird geWUPt. Ruckzuck formiert  sich ein Kreis. „Das Spiel ist bei allen Klassen der Renner. Der Ball darf nur mit der Hand gespielt werden, und Jede*r spielt gegen Jede*n. Wer unterhalb der Hüfte getroffen wird, ist raus.“  

Besondere Mission – Code-Knacker

Während Teamerin Joana draußen mit Annes Klasse auf Schatzsuche ist, steht Lisas Klasse mit dem Code-Knacker eine besonders herausfordernde Mission bevor. Das ist eine Kooperationsübung, bei der es auf genaue Absprachen ankommt: In einer Minute soll jede Karte, die auf dem Boden in einem ca. 2 Quadratmeter groß markierten Rechteck liegt, in chronologischer Reihenfolge einmal berührt werden. Die Karten sind von 1 bis 45 durchnummeriert. Jedes Kind muss mindestens eine Karte berührt haben. Dabei besonders tricky – in diesem sogenannten Tresorraum darf nicht gesprochen werden. Für Absprachen gibt’s einen separaten Besprechungsraum.

Wenn dann im Eifer des dichten Gedränges rund um den Kasten doch mal ein Kind angestupst wird ‚Hey, Du bist dran‘ oder ‚Schnell, da hinten ist die 43‘, ertönt sofort ein Abbruchsignal, die Abhörmikrophone sind unerbittlich. Auch der Teamer, der das Zeitlimit im Blick hat, beendet mit seiner Pfeife so manchen Lösungsversuch. Zunehmend äußern sich die über dreißig Kinder ärgerlich, wenn sie wieder in ihren Besprechungsraum zurückziehen müssen.

Nah an der Frustrationsgrenze

Die Klassen organisieren sich in den Missionen weitgehend selbst, d.h. die Teamer lassen die Übungen sehr lange laufen, manchmal auch bis ins Scheitern. „Dies muss mit Zwischenreflektionen und auch einer großen Reflektion am Ende der Übung wieder aufgefangen werden“, sagt Sarah. „Ein echtes Agententeam stimmt sich ab, um seine Missionen zu lösen. Da kommen manche Klassen zunächst an ihre Frustrationsgrenzen. Auch die ohnehin lauten Schüler verstummen irgendwann und es machen sich Ärger oder betretenes Schweigen breit.“

Betretenes Schweigen…

Im Kreis sitzend schauen sich die Kinder fragend an oder starren auf den Boden. Gerade freut sich niemand mehr über die glitzernden Herzchen, die sich Jungen und Mädchen am Morgen gegenseitig auf die Wangen gemalt haben. „Wenn wir merken, dass sie nicht weiterkommen, erinnern wir sie daran, was ein echtes Agententeam ausmacht“, erläutert Sarah. „Es beginnt in der Umsetzung oft schon mit einer funktionierenden Meldekette, d.h. dass sich die Kinder der Reihe nach drannehmen, nacheinander sprechen und sich ausreden lassen. Manchmal reicht auch einfach eine Verschnaufpause, damit sie den Kopf frei kriegen uns sich neu sammeln.“

… und großer Jubel

So auch jetzt. Als sie den Kindern anbietet, fünf Minuten rauszugehen, verlässt die Klasse erleichtert den Raum. Als sie zurückkehrt, ist sie wie ausgewechselt – so als hätte sie einen Plan. Und in der Tat braucht es nur noch zwei Versuche, bis sie die Mission erfüllt: Jedes Kind hat sich eine oder zwei Nummern gemerkt. Nacheinander laufen sie in den Tresorraum, umrunden den Tresor, berühren im Laufen ihre ein oder zwei Nummern und laufen wieder heraus, um den anderen Platz zu machen, perfekt! Der Jubel ist groß, als das Erfolgssignal ertönt.

Keiner ist so schlau, wie wir alle zusammen

In der anschließenden Reflektion äußern sich die Schülerinnen und Schüler selbstkritisch zum Erlebten. Sie haben gespürt, dass die Mission nur gemeinsam zu lösen war. Wichtig war, dem anderen gut zuzuhören und gemeinsam eine Umsetzung zu besprechen, in der jede und jeder Einzelne einen Part hat und diesen für die Gemeinschaft erfüllt. „Keiner ist so schlau, wie wir alle zusammen“, sind sie sich einig.

Neue Rollen, neue Freundschaften, neuer Zusammenhalt

Mittagspause. Wild und bunt gemischt stürmen die Schülerinnen und Schüler mit den gewonnenen Poker-Chips in der Hand zum Mittagessen. Eine gute Gelegenheit, alles sacken zu lassen oder einfach lecker zu essen und Spaß zu haben. Das Lehrerteam Lisa und Sebastian freut sich, dass seine Klasse die Mission erfüllt hat. Lisa: „Auch Kinder, die im schulischen Kontext eher schwach sind, wachsen hier an ihrer neuen Rolle. Es ist toll zu sehen, wie innerhalb kurzer Zeit neue Freundschaften entstehen und letztlich ein ganz anderer Zusammenhalt in der Klasse da ist. Durch die Vertrauens- und Kooperationsübungen und die Rollenspiele werden sie miteinander offener und selbstsicherer.

Ich bin das erste Mal dabei und genieße die Zeit hier sehr. Bisher hatte ich als Fachlehrerin festgestellt, dass die Klassen vom Agentencamp immer ganz anders zurückgekommen sind, und nun erlebe ich hier selbst, wie es dazu kommt, das ist toll!“ Auch Anne und Thomas, deren Klasse die Schatzsuche ebenfalls gemeistert hat, sind begeistert. Anne: „Wir Lehrer halten uns hier komplett zurück und dürfen einfach nur Beobachter sein. Das sind ganz andere Freiräume, die die Kinder hier für sich entdecken und nutzen. Gestern Abend haben sie von sich aus gefragt, ob wir am Lagerfeuer alle zusammen singen und ich dazu auf der Gitarre spielen würde. Ein sehr schönes Gemeinschaftsgefühl.“

Vertrag per Fingerabdruck

Viel zu schnell vergehen die Tage auf dem Gelände Gilwell St. Ludger. Am letzten Abend gehen die Kinder geschminkt und schick gekleidet zur Agentengala, wo sie mithilfe der gewonnenen Poker-Chips den Safe knacken und ihren Agentenausweis bekommen. Ein guter Grund für die beiden Klassen, den Erfolg mit viel Apfel-Champagner gemeinsam zu feiern. Am letzten Tag bekommen die Klassen von ihren Teamern ein individuell gestaltetes Banner für ihre Klassenzimmer überreicht. Sarah erklärt: „Hier haben wir Teamer die Ziele aufgeschrieben, die sich die Klasse selbst gegeben hat. Alle unterschreiben hier per Fingerabdruck. Das ist unser Vertrag.“

Coole Zeit mit Freunden

Am Mittag rollt der Bus aus Coesfeld an und bringt zwei weitere fünfte Klassen der Coesfelder Realschulen mit, die sich nun erwartungsvoll das Gelände erobern. Müde und zufrieden steigen die beiden anderen Klassen ein und nehmen in teilweise ganz neuen Konstellationen ihre Plätze ein. Schade, dass die Tage nun vorbei sind, es war eine coole Zeit mit Freunden!

 

Lehrer und Lehrerinnen:
Lisa Triphaus 5a / Sebastian Kösters 5a 
Anne Nünning 5b / Thomas Raack 5b 

Text: Doris Röckinghausen

 

*Ab dem neuen Schuljahr werden auch die Gymnasien Nepomucenum und Heriburg gefördert. Das Pius-Gymnasium nimmt in Föckinghausen an ähnlichen Seminaren teil.

Gilwell St. Ludger – der Name ist Programm

Die Bildungsstätte verbindet mit Gilwell die Verpflichtung zu einer Jugendarbeit im Geist der Weltpfadfinderbewegung. Ihr Gründer Lord Baden-Powell richtete im Gilwell-Park bei London ein Ausbildungszentrum für Scoutmaster ein, die dort abgehaltenen Woodbadge-Kurse gibt es bis heute. St. Ludger ist als Bistumsheiliger der Diözese Münster der Schutzheilige der Bildungsstätte und ihrer Kapelle. St. Ludgers war ein frühchristlicher Missionar. An ihm orientiert sich die Einrichtung bei den Inhalten ihrer religiösen Angebote und bei der zeitgemäßen Vermittlung von Spiritualität und Glaube.  
Neben dem Agentencamp bietet die Bildungsstätte weitere Seminare für Grund- und weiterführende Schulen an, https://www.gilwell-st-ludger.de.